Plattenkritik: F.S. Blumm & Nils Frahm – Handling (Leiter)Lasst uns spielen

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Die beiden Berliner Musiker machen seit vielen Jahren immer wieder mal gemeinsame Platten. Wie die klingen, ist immer überraschend. „Handling“ ist ein Straßenfeger.

Vor ein paar Wochen brannte es in der Tiefgarage drei Etagen unter mir. Feuerwehrleute klingelten mich gegen Mitternacht aus dem Bett, stapften ins Wohnzimmer, um sich zu überzeugen, dass alle Fenster geschlossen sind und auch bleiben. An Schlaf war danach nicht mehr zu denken, die Löscharbeiten dauerten ein paar Stunden. Von der Polizei war am Tag darauf zu hören, dass es Brandstiftung war. Und von der Hausverwaltung, dass es eine Woche dauern würde, um die Wasserversorgung wieder herzustellen.

Ganz unbewusst dachte ich in den folgenden Tagen viel über meinen Kiez nach, in dem ich nun schon mehr als 20 Jahre wohne. Wie er sich verändert hat. Wie lebendig hier alles mal war und wie durchformatiert heute mit all dem teuren Normcore. Die Erinnerungen an früher schickten mich natürlich auch musikalisch zurück. Erst im Geiste durch die Tagesbars und improvisierten Keller, dann unter dem Kopfhörer in meinem Exil zu den dazugehörigen Alben und Künstler:innen. Auch zu Frank Schültge aka F.S. Blumm und Nils Frahm.

Beide stehen eigentlich für völlig unterschiedliche musikalische Entwürfe. Schültge war für mich immer „der Mann mit der Gitarre“, was natürlich Quatsch ist. Tatsächlich ist er ein Musiker, der mit allem Musik macht, was ihm unter die Finger kommt. Und Frahm „der Mann am Klavier“. Auch das ist wie wir wissen nur die halbe Geschichte.

F.S. Blumm und Nils Frahm im Portrait

F.S. Blumm und Nils Frahm. Foto: Florian Schneider

„Handling“ ist das erste gemeinsame Album von Blumm und Frahm seit 2021. Damals stiegen beide in eine Badewanne aus traditionsinformiertem Dub, den sie durch ihre ganz eigenen Effektketten und Seelen schoben. Kein Wunder, dass es vier Jahre gebraucht hat, um wieder aufzutauchen. Drei Stücke haben sie aufgenommen – „Leuchter 1–3“ – und um Himmels Willen: Wie herrlich das alles leuchtet! Es ist Musik ohne Anfang und Ende, ein Perpetuum Mobile der endlosen Improvisation, des gegenseitigen Zuhörens und Reagierens, des konsequenten Schichtens und sofortigen Abtragens. Rauf und runter, links und rechts, ein Road Movie für den knarzen Holzboden des Studios. Ohne zu wissen, was hier wirklich geschieht, was es will und was nicht, ist schnell klar, dass das Drehbuch von einem blechernen Spielzeugroboter jede Sekunde konsequent wieder umgeschrieben wird, während der von Instrument zu Instrument krabbelt, um neue Trigger auszulösen und dabei doch nur die Hängematte sucht.

Alle Fragmente wirken still und schüchtern, scheinen oft gar nichts über sich zu wissen, leben ihr oft nur angedeutetes Dasein aber voller Stolz aus. „Handling“ ist keine Studie in Wohlklang, sondern ein sich wie magisch immer wieder (auf)lösender Rubik’s Cube, der ChatGPT die Prinzipien der musikalischen Quantenphysik erklärt. Eine der besten Platten 2025 bislang. Ein Quell der Ruhe und der Konzentration, Schwingung und Schwebung zugleich. Alles wirkt leicht und spielerisch. „Handling“ lässt das Draußen verschwinden und verschwimmen. Ein echter Straßenfeger eben.

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