
Die Berliner Produzentin lässt Vietnam modular erklingen.
Es ist ja Superbooth dieses Wochenende in Berlin, die Fachmesse für elektronische Musikinstrumente. Um mich darauf ein wenig vorzubereiten und meine internen Oszillatoren zu stimmen, habe ich die vergangenen Tage vermehrt aktuelle Veröffentlichungen gehört, bei denen zumindest teilweise modulare Synths verwendet wurden – und bin bei JakoJako hängengeblieben.
Früher wäre es mir nicht passiert, dass ich eine neue Veröffentlichung auf Mute nicht spätestens am Release-Tag gehört habe. Heute ist das anders. Vieles aus dem Katalog interessiert mich einfach nicht besonders. Großer Fehler bei JakoJako. Denn mit „Tết 41“ hat die Berliner DJ Sibel Koçer ein wie ich finde großes Album produziert und vorgelegt. Überhaupt hatte ich ihre Musik praktisch nicht auf dem Schirm. Ein großer Fehler, wie mir jetzt klar wird. Aber mit JakoJako ist es ein bisschen wie mit Mute: Ihre Reputation als Berghain-DJ prognostizierte in meinem Gehirn einen Sound, den ich aktuell in eben jenem Gehirn nicht wirklich brauche – schnell und laut und ordentlich verrummst. Diese LP – und offenbar auch viele ihrer früheren Produktionen – hat damit nichts zu tun. Tatsächlich sind die zehn Tracks bildschöne minimalistische Vignetten, die voll und ganz um den unverfälschten Klang der wenigen Gerätschaften kreisen, die sie auf einer Reise nach Vietnam dabei hatte.
Es sind familiäre Verbindungen. Ihre Mutter stammt aus Vietnam, und offenbar gibt es keine bessere Gelegenheit, das Land zu bereisen, als das Mondneujahrsfest: Tết. Aber JakoJako hat keinen offensichtlich-dokumentierenden Anspruch. Field Recordings dieser „anderen Welt“, sind also weder bestimmendes Element noch Basis für die Kompositionen. Sie tauchen nur ganz vereinzelt auf, immer dann, wenn, so mein Gefühl, wenn es musikalisch passt und das bereichert, was ohnehin schon starke Eindrücke hinterlässt. Am ehesten erinnert mich das an den Ansatz von „Soundtrack [313]“ von The Detroit Escalator Co., habe aber größtes Verständnis für alle, die diesen Gedankensprung weder nachvollziehen können oder möchten. Die beiden Produktionen zeigen aber durchaus Parallelen auf: sanfte und pluckernde Töne, Akkorde und Melodien, rhythmisiert mit Tap-Delays, schillerndem Hall und immer viel Raum, um sich voll und ganz entfalten zu können. Hier wird nichts gegeneinandergestellt und/oder klanglich kontrastiert: JakoJako arbeitet nur in eine Richtung. Und das ist in aller Stille fulminant.
Nun wissen wir ja eigentlich alle, dass purer Klang oft schon ausreicht, um uns für Stunden in eine andere Welt zu katapultieren. Tatsächlich passiert das in der Musik aber viel zu selten. Ist es da draußen nicht schon laut genug? Kompliziert und komplex? „Tết 41“ ist kein rigoros geplanter Gegenbeweis, sondern zeigt einfach nur, wie es auch gehen kann.